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Die russische Seele verstehen – interkulturelle Kommunikation

„Ein Blick sagt mehr als tausend Worte“ behauptet ein deutsches Sprichwort. Dennoch wird die Bedeutung der Körpersprache von vielen Menschen unterschätzt. Missverständnisse bis hin zu Enttäuschungen können trotz guter Fremdsprachenkenntnisse bei der interkulturellen Kommunikation entstehen. Wer bereit ist, sich auf eine fremde Kultur einzulassen, wird es leichter haben.

Russen und Deutsche stehen sich kulturell sehr nahe. Wir Deutschen kennen Russlands Geschichte. Wir sind vertraut mit seinen gesellschaftlichen und politischen Ereignissen. Warum aber kommt es beim beruflichen oder privaten Umgang mit seinen Menschen immer wieder zu Verwirrungen?

In ihrer Körpersprache senden Russen grundsätzlich keine völlig anderen Signale als Deutsche. Dennoch gibt es feine Unterschiede. Eine erste Hürde kann bereits die Kontaktaufnahme sein. Wenn in Deutschland der erste Kontakt am besten schriftlich, stattfinden soll, bevorzugt man in Russland die persönliche Kontaktaufnahme. Von einer persönlichen Begegnung verspricht man sich eine bessere Einschätzung des Gesprächspartners.

So wie bei uns wird auch in Russland dem Geschäftspartner zur Begrüßung die Hand geschüttelt. Die Nähe und der Körperkontakt spielen dabei eine große Rolle. Ein kräftiges Schulterklopfen als Sympathiebekundung ist dabei durchaus üblich. Frauen hingegen schenkt man lediglich ein Nicken zur Begrüßung. Kennt man sich schon länger, dann begrüßt man sich mit einer Umarmung und zwei oder meistens drei Wangenküssen, auch unter Männern.

Die russische Kultur ist eine Kultur der Körpernähe, die deutsche hingegen setzt auf Distanz. Russen rücken bei einer Unterhaltung 30 bis 40 Zentimeter näher an ihr Gegenüber heran als Deutsche. In öffentlichen Verkehrsmitteln, in Lokalen und auf Bänken ist es üblich, dicht aufzuschließen und nicht wie in Deutschland größere Zwischenräume zu lassen.

Kulturelle Unterschiede
Russland wird von Kommunikationswissenschaftlern als ein Land mit einer High-Context-Kultur definiert. Nicht der Inhalt, der ausgetauscht wird, entscheidet, sondern die Art und Weise, wie es gesagt wird. Es wird weniger direkt ausgesprochen. Mimik und Gestik spielen bei der Verständigung eine bedeutende Rolle. Nicht umsonst kommt der obligatorische Wodka auch bei geschäftlichen Verhandlungen ins Spiel. Der Geschäftspartner soll sich entspannen, denn ein russisches Sprichwort sagt: „Was der Nüchterne denkt, sagt der Betrunkene.“

Die deutsche Kommunikationsweise dagegen ist deutlich und direkt. Wir sagen, wie es ist. Kommunikation ist für uns Informationsaustausch. Wir lieben es, wenn sie kurz und zielorientiert verläuft. Alles, was nicht dieser Logik folgt, wird von Deutschen als überflüssig angesehen. Deutschland gehört eben zu den Low-Context-Kulturen. Verhandlungen sollen so konkret wie möglich verlaufen, der Smalltalk wird auf einige Floskeln reduziert. Die Beziehung zueinander sowie Gefühle sind sekundär.

Die Unterscheidung in High- und Low-Context-Kulturen ist ausgesprochen wichtig. Viele Schwierigkeiten in der Kommunikation zwischen Menschen haben ihre Ursachen in diesen unterschiedlichen Prägungen.

Das Lächeln hat strenge Regeln
Der größte Unterschied bei der interkulturellen Kommunikation liegt in der Mimik, besonders in der Art zu lächeln. Russen wird oft nachgesagt, sie lächelten selten. In der Tat ist in Russland das Lächeln in der Öffentlichkeit unüblich. Ein ständiges höfliches Lächeln wird bei den Russen als sogenanntes Dienstlächeln bezeichnet und gilt als schlechte Charaktereigenschaft. Das ist auch der Grund, warum Verkäuferinnen die Kunden nicht anlächeln. Ausländische Gäste empfinden dieses Verhalten oft als unangenehm und unhöflich. Entsprechendes gilt für den direkten Blickkontakt. Dieser wird als unbescheiden und aufdringlich verstanden. Im persönlichen Umfeld jedoch zeigen sich viele Russen sowohl in Mimik als auch in Gestik intensiv und stark emotional. Ausländer treffen hier auf eine wohltuende Offenheit und Gastfreundschaft.

„In eine fremde Seele kannst du nicht hineinkriechen“, sagen die Russen. Wenn wir jedoch kulturelle Unterschiede kennen und berücksichtigen, können wir unser Fremdbild differenzieren. Das könnte sowohl für unser privates als auch politisches Verhalten gegenüber Russland gelten.

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