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Deutsche Wörter im Russischen

Auf Spurensuche – Deutsche Wörter im Russischen

Die russische Sprache ist deutscher als man denkt. Die intensiven Beziehungen, die zwischen Russland und Deutschland seit Jahrhunderten bestehen, haben Spuren hinterlassen. Etwa 450 deutsche Lehnwörter sind im Russischen bekannt, buterbrod (Butterbrot) und parikmacher (Friseur, von Perückenmacher) zum Beispiel.

Russland blickt nach Westen
Seit dem ersten  politischen Kontakt im 10. Jahrhundert hat sich zwischen Deutschland und Russland eine besondere Beziehung entwickelt. Nowgorod war für den deutsch-russischen Handel wichtig geworden. Im Jahr 1189 schlossen die Nowgoroder mit Kaufleuten der deutschen Hanse einen ersten Vertrag. In der Stadt entstand eine eigene Niederlassung deutscher Kaufleute, der Sankt-Peter-Hof. Die mittelniederdeutsche Sprache hatte als Handelssprache der Hanse ihren ersten Einfluss auf das Russische.

Seit dem 16. Jahrhundert ist der Einfluss des Deutschen auf das Russische erheblich und erreicht seinen Höhepunkt im 18. und 19. Jahrhundert. Die Sprachentwicklung Russlands ist unmittelbar mit dem Namen Peter des Großen verbunden.  Peter war eine außergewöhnliche und starke Persönlichkeit. Fast im Alleingang formte er aus dem alten Russland ein Reich nach westlichem Muster. Der deutsche Anteil an der Europäisierung war groß. Nach Peters westeuropäischer Reise 1697/1698 und seinen Fahrten nach Magdeburg, Dresden, Freiberg, Torgau und Ilsenburg zwischen 1711 und 1713 begann eine gravierende Veränderung im Hinblick auf die Beeinflussung der russischen Sprache. Zu dieser Zeit war Deutsch die wichtigste Sprache der kulturellen und wissenschaftlichen Kontakte zwischen Russland und Europa. Die Deutschen dominierten als Handwerker, Ärzte, Apotheker, vor allem aber als Waffentechniker und Militärexperten. Kein Wunder also, dass Bezeichnungen des Militär- und Kriegswesens, der Medizin, des Bergbaus, der Wissenschaft und Verwaltung die meisten Veränderungen erlebt haben. Besonders bei Bezeichnungen zu Rängen bediente Peter der Große sich vieler deutscher Ausdrücke wie oberoficer (Oberoffizier) und fel’dmarschal (Feldmarschall). Auch Wörter wie gaubica (Haubitze) und  landver (Landwehr) wurden in dieser Zeit entlehnt.

1703 begann Peter mit dem Bau „seiner“ Stadt, Sankt Petersburg. In der neuen Hauptstadt ließen sich Handwerksleute nieder, darunter viele deutsche Drucker, Setzer und Uhrmacher, die über Fertigkeiten verfügten, die es in Russland nicht gab. Der Wortschatz wurde durch Entlehnungen aus dem Deutschen erweitert. Das betrifft Wörter wie apparat (Apparat), beton (Beton), gips (Gips), ciferblat (Zifferblatt) und schtempel (Stempel).

Deutsche Siedler haben Wörter „im Gepäck“
Die zaristische Heiratspolitik führte zu dynastischen Verbindungen mit mehreren deutschen Höfen. Ins Land kamen deutsche Bürokraten und Höflinge und mit ihnen deutsche Wörter wie bjurger (Bürger), kamerdiner (Kammerdiener), frak (Frack) und schleif (Schleppe am Kleid). Russlands Zarin Katharina die Große unterschrieb vor mehr als 250 Jahren das Einladungsmanifest, einen Aufruf, dass mehr Siedler ins Land kommen sollten. Das Angebot richtete sich generell an alle Ausländer, vor allem aber an die Deutschen. Zumal auch die Zarin selbst, 1729 als Sophie Friederike von Anhalt-Zerbst in Stettin geboren, eine Deutsche war. Damit begann die rund 200-jährige Geschichte der Russlanddeutschen, die  in ihrer längsten Zeitspanne durchaus als erfolgreiche Geschichte zu bezeichnen ist. Als 1764 die ersten deutschen Kolonisten nach Russland zogen, konnten sie nur weniges aus ihrer Heimat mitnehmen. Was sie aber „im Gepäck“ dabei hatten, war ihre deutsche Sprache. Sie brachten Wörter mit, die heute im russischen Wortschatz fest verankert sind, wie wunderkind (Wunderkind), potschtamt (Postamt), schtraf (Geldstrafe), schrift (Schriftart) und galstuk (Krawatte).

Zarin Katharina die Große stellte die Weichen für die Geschichte der Russlanddeutschen.
Zarin Katharina die Große stellte die Weichen für die Geschichte der Russlanddeutschen.

Weitgehend unberührt von außenpolitischen Konflikten kam es im 18. und 19. Jahrhundert zu einer Fülle von deutsch-russischen Begegnungen. Zahlreiche deutsche Wissenschaftler lehrten an den neu gegründeten Universitäten Russlands. In der Epoche der Aufklärung wurden viele Adjektive ins Russische entlehnt wie zum Beispiel absoljutnyj (absolut), aktivnyj (aktiv) und genial’nyj (genial). Bei der Oberschicht wurden Deutschlandreisen gang und gäbe. Baden-Baden war einer der beliebtesten Zielorte. Deutsche Dichte und ihre Werke – wie Goethe, Schiller und Heine – gingen in den Bildungskanon der Intelligenz ein. Später fanden die Lehren von Karl Marx und Friedrich Engels in politischen Zirkeln Russlands eine breite Akzeptanz.

Von Blitzkrieg bis Bundesbank
Bis zum Zweiten Weltkrieg hat sich am Verhältnis zum Deutschen als Bildungs- und Wissenschaftssprache nichts geändert. Vor allem Bezeichnungen neuer landwirtschaftlicher Maschinen wie traktor (Traktor) entstanden. Das Wort blickrig (Blitzkrieg) wird zum Symbol des Großen Vaterländischen Krieges. Auch Wörter wie  lejtenant (Leutnant), fjurer (Führer) und abver (Abwehr) fanden Eingang in den aktiven Wortschatz der russischen Sprache. Zu den neueren Entlehnungen aus der deutschen Sprache gehören Bezeichnungen der Geldinstitute wie bundesbank (Bundesbank) und rajffaizenbank (Raiffeisenbank).

Übrigens: Für Menschen, die andere indoeuropäische Sprachen sprechen, ist es gar nicht so schwer, Russisch zu erlernen. Tatsächlich schwierig sind einige Denkweisen innerhalb des Verbalsystems, manchmal auch die Wortbetonung und die Wortstellung im Satz.

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